Die Besteigung des Vulkan Maipo ist unser nächstes grosses Abenteuer. Wir haben uns schon in der Schweiz mit der Besteigung unseres ersten 5000ers befasst und im Internet über die Besteigung des Vulkans nachgelesen. Den GPS-Track haben wir im Voraus bereits heruntergeladen und wissen, welche Bewilligungen wir benötigen. Zudem wissen wir, auf welchen Höhen es gute Stellen zum Campen gibt, und wir haben uns auch einen Plan mit Akklimatisierungslagern ausgedacht. Die nötige Wanderausrüstung haben wir aus der Schweiz mitgebracht und den Proviant haben wir ebenfalls eingekauft. Falls dich interessiert, welches Equipment wir auf Mehrtageswanderungen dabei haben, findest du hier unsere Packliste.
Seit knapp zwei Wochen sind wir in den Anden unterwegs und konnten uns bereits an die Höhe gewöhnen. Wir haben in den letzten Wochen ein paar Wanderungen unternommen, sind körperlich fit und fühlen uns bereit für die Besteigung des Vulkan Maipo. Die Bewilligung für die Besteigung haben wir online beantragt und müssen diese nur noch bezahlen. Dann sind wir bereit und es kann los gehen. Hoffentlich haben wir an alles gedacht.
Der Aufstieg zum Vulkan Maipo startet bei der Station der Gendarmerie an der Laguna Diamante auf 3300 m ü. M. Bereits die Zufahrt zur Laguna Diamante ist ein absolutes Highlight. Die unbefestigte Strasse RP 98 bietet wundervolle Landschaften und eindrückliche Aussichten in die Bergwelt der Anden. Die Ruta Provincial 98 zweigt 150 km südlich von Mendoza in westlicher Richtung von der Ruta Nacional 40 ab. Für die 80 km sollten mindestens zwei Stunden eingerechnet werden. Entlang der Strasse muss man sich bei der Ranger Station registrieren und die zuvor gekaufte Bewilligung und den Zahlungsnachweis vorzeigen.
Inhaltsverzeichnis:
- Tag 1 – Wanderung auf den Vulkan Maipo
- Tag 2 – Camp auf 4388 m
- Tag 3 – Der Gipfeltag – Vulkan Maipo 5323 m
- Tag 4 – Der Abstieg
- Der Film – Unser erster 5000er
Aussichtsreiche Fahrt zur Laguna Diamante, dem Startpunkt zur Besteigung des Vulkan Maipo
Es ist Montag. Der Wecker klingelt um 7 Uhr, doch wir bleiben noch 10 Minuten liegen. Wir haben ausserhalb der Stadt Malargüe gecampt. Draussen rauscht der Fluss und während wir im Flussbett unseren Kaffee schlürfen, gehen wir in Gedanken schon mal den Tag durch.
Als erstes müssen wir nach Malargüe. Um 8:30 Uhr öffnet im Supermarkt Altue der Pago Facil Schalter, wo wir die Bewilligung für die Laguna Diamante, das Campen und die Wanderung auf den Vulkan Maipo bezahlen müssen. Mit 126 Eintausender-Noten stelle ich mich an den Schalter, übergebe den Notenberg und die Kassiererin lässt das Geld durch die Zählmaschine rattern. In wenigen Sekunden zeigt die Anzeige 126. Das ganze nochmals. Double check. Passt. Mit einer Quittung in der Hand laufe ich zurück zu Marcel, der auf der gegenüberliegenden Strassenseite wartet.
Wir sind einen Schritt weiter und das Abenteuer Vulkan Maipo kann bald losgehen. Auf der gut ausgebauten Ruta 40 fahren wir 170 km in nördliche Richtung bis zum Abzweiger zur Laguna Diamante. Dort biegen wir auf die Ruta Provincial 98 in westliche Richtung ab. Bis zur Ranger Station sind es 26 km auf ruppiger Piste. Wir stellen Taku auf dem Parkplatz ab und registrieren uns bei den Guardaparques, den Park Rangern. Zuerst müssen wir die Bewilligung zusammen mit der Quittung vorweisen, dann unsere Namen und Passnummer angeben und zum Schluss noch den Haftungsausschluss ausfüllen und unterschreiben.
Listo! Was auf Spanisch so viel heisst wie „alles erledigt“. Wir dürfen weiterfahren. Weiter geht es entlang der unbefestigten RP 98, die bis zur Laguna Diamante führt. Zuerst geht es kurvenreich in die Höhe und die Landschaft wird mit jedem Meter karger und imposanter. Auf den nächsten 39 km bis zur Station der Park Ranger an der Laguna Diamante legen wir 1000 Höhenmeter zu. Nun sind wir auf 3400 m ü. M. Der Wind bläst uns fast vom Platz, so kriegen wir gleich einen Eindruck, was uns die nächsten Tage möglicherweise erwartet. Auf der Passhöhe können wir auch das erste Mal den Gipfel der Vulkan Maipo sehen. Was für ein magischer Ausblick.
Nun geht es wieder auf der anderen Seite Runter ins Tal indem die Laguna Diamante. Den Vulkan Maipo haben wir bei der weiterfahrt immer vor uns und der Berg wird immer Imposanter. Die Aussicht mit der Laguna Diamante im Vordergrund ist dann das absolute Highlight. Bei der Parkwächterin an der Laguna Diamante müssen wir erneut unsere Namen mitteilen und unser detaillierter Plan zur Besteigung des Vulkan Maipo wird notiert. Unter anderem müssen wir die Route mitteilen, welche Camps wir wann ansteuern und wann wir planen zurück zu sein.
Dann werden wir nach Kommunikationsmitteln gefragt. Wir haben das Garmin InReach dabei und können so im Notfall Meldungen absetzen oder Rettung anfordern. Doch das reicht anscheinend nicht. Wir müssen ein UHF-Funkgerät dabeihaben. Scheitert unser Vorhaben jetzt? Wir lassen nicht locker und nach einer Standpauke auf Spanisch dürfen wir dann doch weiterfahren und den Vulkan Maipo besteigen. Uns fällt ein Stein vom Herzen.
Die letzten 5.5 km bis zum Camping an der Laguna Diamante sind spektakulär. Vor uns ist die leuchtend blaue Lagune und dahinter steht der massive Volcan Maipo. Wir sind grade ein bisschen überwältigt. Und wir realisieren so langsam, was wir vorhaben. Da sich der Vulkan Maipo an der Grenze zu Chile befindet, müssen wir uns noch bei der Gendarmerie melden, die ihre Station beim Start der Wanderung haben. Ein superfreundlicher junger Mann nimmt unsere Daten auf und wünscht uns einen schönen Rest des Tages. Wir sehen uns dann morgen in der Früh.
An der Lagune suchen wir uns einen Platz zum Stehen, richten uns ein und dann haben wir noch ein Projekt. Wir werden unsere Mehrtageswanderung auf den Vulkan Maipo filmen. So stellen wir uns neben Taku, der Maipo im Hintergrund und reden in die Kamera. Auch was wir mitnehmen und wie wir im Taku unsere Rucksäcke packen, halten wir filmisch fest. So vergeht die Zeit schnell und schon heisst es Abendessen kochen, eine grosse Portion Fried Rice essen, lesen und schlafen.
Bevor wir wegdösen, gehen wir in Gedanken nochmals alles durch. Haben wir alles eingepackt, was wir brauchen? Bestimmt. Und sonst müssen wir dann improvisieren.
Der erste Wandertag der Besteigung des Vulkan Maipo
6:30 Uhr. Zeit zum Aufstehen. Am Horizont sehen wir wie es langsam heller wird. Wir geniessen eine letzte heisse Tasse Kaffee und ein Müesli in unserem Camper Taku. Die nächsten paar Tage sind wir dann mit dem Zelt unterwegs, sodass wir den Luxus unseres Campers umso mehr schätzen.
Wir wollen um 7:30 Uhr loslaufen und sind kurz vorher bereit. Unsere Rucksäcke sind gepackt und die Vorfreude auf das Abenteuer Besteigung Maipo gross. Vom Campingplatz fahren wir zu den Parkplätzen neben der Gendarmerie, wo wir Taku für die nächsten Tage stehen lassen. Auf dem Weg dahin kommt uns Jorge mit der Angelroute entgegen. Er ist von der Gendarmerie und bei ihm haben wir uns gestern angemeldet. Wir tauschen noch kurz unsere Telefonnummern aus und dann wünscht er uns eine gute Zeit beim Wandern.
Der Startpunkt für die Wanderung auf den Vulkan Maipo liegt direkt neben dem Toilettenhäuschen. Wir winken Taku ein Goodbye und laufen bei Kaiserwetter los. Die ersten 5 km sind einfach. Es geht leicht aufwärts, mal ist der Weg sandig, mal steinig. Doch es ist ein angenehmer Anfang. Dank Steinmännchen finden wir den Weg gut.
Lunchbreak beim Camp 1 – Aufstieg zum Vulkan Maipo
Dann folgt ein erster steiler Aufstieg mit losem, kiesigen Untergrund. Rechtzeitig zur Mittagszeit erreichen wir das Camp 1 auf 3600 m. Wir vertilgen unseren ersten Wrap mit Mayo und Thon. Dabei schmieren wir uns die Trekkinghosen und Wanderschuhe mit Öl voll. Tja, ist ja nicht so schlimm. Wir werden die nächsten Tage bestimmt noch einiges an Staub und Schmutz abkriegen. Lerneffekt in Sachen Fajita mit Thon für morgen: Wir schmieren die Fajitas mit Mayo voll, rollen sie auf und löffeln den Thon direkt aus der Büchse.
Eigentlich haben wir geplant die erste Nacht am Camp 1 zu schlafen. Die Plätze sehen gut aus, doch wir entscheiden weiter zum Camp 2 zu wandern. Denn wir fühlen uns fit und es geht uns super. Zudem ist es noch so früh, dass wir gut noch etwas weiterwandern können. Wir verspüren keine Anzeichen von Kopfweh oder Übelkeit. Alles im grünen Bereich.
So schwingen wir nach einer Stunde Pause den Rucksack wieder auf den Rücken und nehmen den nächsten Aufstieg in Angriff. Vom Camp 1 bis ins Camp 2 erwartet uns ein happiger Aufstieg mit 400 Höhenmetern. Loses Kies, eine extreme Steigung und kräftiger Wind fordern ganz schön Energie von uns. Zum Glück fühlen wir uns sehr gut und die Höhe macht uns bis jetzt nichts aus. Wir steigen Schritt für Schritt auf, stoppen immer wieder, um Fotos zu machen und auch die Videokamera kommt regelmässig zum Einsatz. Diese Tour müssen wir einfach filmisch festhalten. Denn egal, ob wir vorwärts oder rückwärts schauen. Die Aussichten sind gigantisch. Vor uns sehen wir den Vulkan Maipo, schauen wir zurück sehen wir die Laguna Diamante. Wir nehmen es gemütlich und legen regelmässig Pausen ein. So schön einfach Zeit zu haben.
Erster Akklimatisationsstopp und Schlafplatz bei Camp 2 auf 4047 m ü. M.
Und dann sehen wir plötzlich das Schild mit der Aufschrift „Campo 2“. Wir haben unser Tagesziel erreicht. Überglücklich stellen wir unsere Rucksäcke ab und begutachten den Platz. Flacher, kiesiger Untergrund, umgeben von einer kleinen Mauer aus aufeinander geschichteten Steinen. Perfekt. Hier bleiben wir.
Bevor wir uns jedoch hinter die windgeschützte Steinmauer setzen, haben wir noch eine wichtige Aufgabe. Wasser organisieren. Marcel holt sofort ein grosses Stück Büsserschnee, das wir in unserem Kochtopf in die Sonne stellen. Das Wasser schmilzt zwar langsam, aber wir haben ja Zeit. Während ich einzelne Deziliter geschmolzenes Wasser filtere, geht Marcel auf die Suche nach fliessendem Wasser. Er versucht es bei einem Büsserschneefeld, wo eigentlich Schmelzwasser fliessen sollte. Und er findet tatsächlich einen richtigen Bach. So ist Wasser fürs Abendessen, fürs Frühstück und sogar für einen Teil der nächsten Etappe bis zum Camp 3 gesichert.
Es ist bereits 16 Uhr und wir geniessen eine Stunde Nichtstun. Im Windschatten lassen wir uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Doch irgendwann müssen wir uns dann doch aufraffen und das Zelt aufzustellen. Zum Abendessen kochen wir uns eine Portion Suppe, kippen einen Pack Kartoffelstock rein, rühren um und fertig.
Die Sonne verschwindet kurz vor 19 Uhr hinter dem Vulkan Maipo. Kaum ist die Sonne weg, fällt die Temperatur um ein paar Grad. Wir verkriechen uns sofort ins Zelt und fühlen uns an die Zeit auf dem Pacific Crest Trail zurückversetzt. Einziger Unterschied, wir haben diesmal das Zwei-Personenzelt von Nemo dabei und merken nun, wie verwöhnt wir mit dem Zpacks Triplex (dem Dreierzelt) sind. Das kleinere Nemo ist eng und sehr kuschelig. Trotzdem ist es definitiv das bessere Zelt für Südamerika. Denn es ist halb freistehend und stabiler bei starkem Wind.
Müde liegen wir auf unseren weichen Isomatten, eingekuschelt in unseren Daunenschlafsäcken und hören dem Wind zu. Dann schliessen wir die Augen, die wir für den Sonnenuntergang nochmals kurz öffnen. Doch dann ist Zeit schlafen zu gehen.
Zweiter Wandertag der Besteigung des Vulkan Maipo und Camp auf 4388 m
Obwohl es nach längerer Zeit die erste Nacht im Zelt war, haben wir erstaunlich gut geschlafen. Dies liegt sicher daran, dass wir gestern doch recht viel gewandert und auf über 4000 Meter sind. Den zweiten Tag unserer Tour auf den Vulkan Maipo starten wir gemütlich. Kilometermässig haben wir nämlich einen entspannten Tag vor uns. Einzig die Höhe ist nicht zu unterschätzen und die 300 Höhenmeter, die wir vom Camp 2 zum Camp 3 vor uns haben.
Gemütlich schlürfen wir unseren Kaffee und essen unser typisches Wanderfrühstück. Haferflocken mit Nüssen. Und heute ist es sogar die Luxus-Variante mit einem frischen Apfel. Das Wetter ist wieder voll und ganz auf unserer Seite. Bei strahlend blauem Himmel starten wir den Aufstieg zum Camp 3. Kurz und knackig geht es steil aufwärts durch Geröllfelder. Wir kommen auch an den ersten grösseren Büsserschneefeldern vorbei. Die drei Kilometer sind relativ schnell geschafft, sodass wir kurz nach der Mittagspause bereits wieder unser Zelt aufstellen können. Inzwischen sind wir auf knapp 4400 m ü. M. und wir können den Rest des Tages relaxen und unsere Körper haben Zeit sich zu akklimatisieren.
Da der Wetterbericht auf morgen das beste Wetter mit am wenigsten Wind voraussagt, sind wir schwer am überlegen, ob wir es bei einem halben Tag akklimatisieren belassen sollen. Wir schauen mal, wie es uns bis am Abend geht und entscheiden dann, ob wir morgen auf den Gipfel gehen. Der Wind wird gegen Abend kräftiger, sodass wir uns schnell ins Zelt verkriechen. Dort haben wir wenigstens nicht immer den Sand im Gesicht. Während wir daliegen und an die Zeltdecke schauen, fragen wir uns: «Halten wir einen ganzen Tag bei diesem Wind am Camp 3 aus? Oder sollen wir morgen auf den Gipfel?» Wir fühlen uns beide supergut, sodass wir den Donnertag, den 13. Februar 2025, als den Maipo Gipfeltag bestimmen.
Zum Abendessen kochen müssen wir dann wieder raus in den Wind. Wir suchen uns hinter grossen Felsbrocken einen windgeschützten Platz. Punkt 17 Uhr essen wir und legen uns dann ins Zelt. Ja, ist noch früh, doch wir wollen morgen zeitig los. Idealerweise um 5 Uhr in der Früh. Da uns ein ultra-anstrengender Tag bevorsteht, ist genügend Schlaf wichtig. Um 18 Uhr legen wir uns dann schlafen. Obwohl, an Schlaf ist nicht zu denken. Der Wind reisst an unserem Zelt, es flattert wie wild. Trotzdem schliessen wir die Augen und dösen vor uns hin. Bis es wieder hell wird. Es ist Vollmond. Das ist ein kurzer Blick aus dem Zelt wert. Und dann versuchen wir erneut zu schlafen. Doch der Wind ist so stark und laut, dass wir einfach nicht schlafen können. Als wir dann endlich eine Stunde eingenickt sind, reisst es wieder wie wild am Zelt.
„Irgendwas stimmt nicht“, sagt Marcel. Er steigt mitten in der Nacht aus dem Zelt, prüft alle Zeltschnüre und stellt fest, dass diese lose sind. Er zurrt die Zeltschnüre fest und kommt schlotternd zurück ins Zelt. Der Wind ist eisig kalt. Zum Glück haben wir richtig gute Schlafsäcke dabei und bald ist es auch Marcel wieder wohlig warm. Ein paar Stunden Schlaf kriegen wir schlussendlich doch noch ab, bevor uns der Wecker um 5 Uhr weckt.
Wir besteigen unseren ersten 5000er, den Vulkan Maipo
5 Uhr. Endlich, der Wecker klingelt. Es ist Ewigkeiten her, dass wir uns so auf das Aufstehen gefreut haben. Die Nacht war nun wirklich alles andere als entspannt. Marcel ist nur Dank Ohropax zu ein paar Stunden Schlaf gekommen und ich weiss nur noch, dass ich in regelmässigen Abständen auf die Uhr geschaut habe. Wir haben nun zwei Möglichkeiten. Entweder wir nehmen trotz einer wenig entspannten Nacht den Gipfel in Angriff oder wir legen noch einen Pausentag am Camp 3 ein. Wir sind uns einig. Auf einen ganzen Tag und eine zweite Nacht an diesem ausgesetzten Platz sind wir nicht scharf. Denn trotz Schutz hinter einer Steinmauer bläst der Wind unbarmherzig auf unser Zelt.
Wir setzen unsere Stirnlampen auf und kochen einen Liter Wasser. Der Kaffee schmeckt zwar nicht besonders gut, doch er wärmt unsere Finger. Das Müesli schaufeln wir Löffel um Löffel in den Mund. Allzugross ist unser Hunger zwar nicht, doch wir wissen, dass wir die Energie brauchen werden. Wir schaffen die Portion Porridge dann doch und machen uns bereit für den grossen Tag. Den Rucksack haben wir gestern bereits gepackt, sodass wir gleich loslaufen können. Das Zelt lassen wir mit allen Schlafsachen, dem Kocher und einem Teil der Kleidung am Camp 3. So haben wir nur wenig Gepäck auf dem Rücken. Zum Glück, denn sonst würde uns der Aufstieg von knapp 4400 auf über 5300 m ü. M. sicherlich noch schwerer fallen.
Mit Stirnlampe starten wir zum Aufstieg auf den Vulkan Maipo
Im Lichtstrahl der Stirnlampe laufen wir Schritt für Schritt im Geröll hoch. Wir sehen nur unsere Füsse und den dunklen, vulkanischen Untergrund. Unser Atem ist tief und wir starten langsam. Anders geht es auch gar nicht, denn es ist unglaublich steil. Ich frage Marcel naiv: «Wieso startet man eigentlich so früh, dass man gar nichts sieht?» Seine Antwort: «Das man nicht sieht, wie steil es ist. Sonst würdest du dich nicht trauen aufzusteigen.»
Ich zähle die Schritte. Bei 50 lege ich eine kurze Pause ein. Und so geht es die nächsten zwei Stunden weiter. Oder vielleicht mehr? Ich weiss es nicht. Marcel ist immer ein stückweit vor mir, so weiss ich genau welche Richtung ich einschlagen muss. Bei der ersten längeren Pause können wir die Sonne aufgehen sehen und wir freuen uns auf die wärmenden Sonnenstrahlen. Ab sofort wissen wir ganz genau, was das Wort «wind chill» bedeutet. Obwohl wir regelmässig Pausen einschalten sollten, fällt es uns schwer länger an einem Ort stehen zu bleiben. Die Kälte kriecht uns so schnell in die Knochen, dass wir uns lieber vorwärtsbewegen. Auch das Trinken fällt uns schwer, denn das Wasser in unseren Wasserflaschen ist eiskalt und es wird immer kälter, bis es schlussendlich ganz einfriert.
Die Querung der Büsserschneefelder ist extrem anstrengend
Bis 10 Uhr haben wir den härtesten und steilsten Aufstieg geschafft und wir erreichen den Kraterrand. Doch es erwartet uns gleich die nächste Herausforderung. Ein riesiges Büsserschneefeld liegt im relativ flachen Vulkankrater, den wir queren müssen. Wir versuchen das Schneefeld zu umgehen, doch wir sind nur mässig erfolgreich. Eine Felswand versperrt uns den Weg und zwingt uns das Schneefeld zu queren. Vom PCT und CDT kennen wir Schneefelder zur Genüge, doch Büsserschnee ist neu für uns. Ob nun Postholing oder Büsserschnee anstrengender ist? Es ist kein Unterschied. Beides ist unglaublich anstrengend. Wir kämpfen uns weiter und es zehrt ganz schön an unseren Kräften. Was uns antreibt weiterzugehen ist die geniale Aussicht vom Gipfel. Doch die müssen wir uns zuerst verdienen.
Das erste Büsserschneefeld ist geschafft. Einige hundert Meter geht es nun über ein flaches Feld mit rotem Vulkansand. Wir drehen uns einmal um die eigene Achse und sind fasziniert von der Landschaft. Ein roter Fels ragt empor, an dem wir fasziniert vorbeigehen. Vor uns sehen wir nun den Gipfel des Vulkan Maipo. Unser Ziel ist zum Greifen nah. Doch zuerst müssen wir noch ein weiteres Büsserschneefeld queren, über eine Krete wandern und nochmals mindestens 100 Höhenmeter schaffen. Wir sind inzwischen auf über 5100 m ü. M. Dass die Luft hier oben dünner ist, merken wir am Atem und auch an unserer schwindenden Energie. Wir fragen uns, wie es wohl auf 6000, 7000 oder sogar 8000 Metern sein muss.
Auf dem letzten Kilometer zum Gipfel gehen wir auf einem Grat entlang. Starke Böen blasen uns fast vom Weg. Was für ein Glück, dass der Wind gegen den Berg und nicht talwärts bläst. Trotz allem ist es unglaublich schön hier oben. Es ist nicht nur die Höhe, die uns den Atem raubt, sondern auch die faszinierende Aussicht auf die umliegenden Berge. Unvergesslich bleibt der Moment, in dem wir das Gipfelkreuz sehen. Wir haben es geschafft.
Wir haben unseren ersten 5000er bestiegen und den Gipfel des Vulkan Maipo erreicht
«Yeah, yeah!!! Wir haben es geschafft!», ruft Marcel und schwingt seine Arme in die Höhe. Wir sind auf 5323 Metern und haben somit unseren ersten 5000er geschafft. «Ich bin so stolz auf uns», sagt er mit Tränen in den Augen. Als ich ihn erreiche, bin ich so erschöpft, dass ich mich zuerst einmal eine Minute hinlege. Und dann realisiere auch ich, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Ein Glücksgefühl überkommt uns und wir setzen uns hinter einen Felsen, wo wir diesen Moment zuerst einmal setzen lassen müssen.
Wir sind gerade etwas überwältigt. Einerseits möchten wir diesen speziellen Moment geniessen, andererseits bläst uns der Wind derart um die Ohren, dass wir uns am liebsten in einem Loch verkriechen möchten. Wir raffen uns trotzdem auf und schauen uns das gigantische 360 Grad Panorama an. Da unsere Finger innert Sekunden fast einfrieren beim Fotografieren und Filmen beeilen wir uns möglichst viel in kurzer Zeit festzuhalten. Wir versuchen möglichst lange auf dem Gipfel zu bleiben, doch irgendwann zwingt uns die Kälte – und der Hunger – zum Abstieg. Einmal mehr zeigt uns die Natur seine Gewalt und wie verletzlich wir als Mensch doch sind.
Der Abstieg vom Vulkan Maipo ist unglaublich steil
Auf dem Weg hinunter merken wir, dass der Wind zugelegt hat. Genauso hat es die Wetterprognose vorausgesagt. Im Eiltempo laufen wir denselben Weg zurück und geniessen diesmal die Aussicht aus einer völlig anderen Perspektive. In der Ferne sehen wir schneebedeckte Berge in Chile. Ja, wir sind ganz nah an der chilenischen Grenze.
Der Wind legt immer mehr zu, sodass wir auf dem Rückweg noch stärker dagegen ankämpfen müssen. Bald erreichen wir das Büsserschneefeld, wo wir hinter einem Felsen einen windgeschützten Platz finden. Zeit fürs Mittagessen. Ein Wrap mit Thon und Mayo, ein paar Cracker und ein Cookie. Dazu eiskaltes Wasser. (Ein heisser Tee wäre jetzt schön, denken wir. Gestärkt machen wir uns auf den Abstieg. Unser Zelt steht beim Camp 3 und wir möchten gerne noch bis zum Camp 2 hinunter.
Als erstes erwartet uns nun das grosse Büsserschneefeld. Wir kämpfen uns über die scharfkantigen Schneeformationen. So schön so ein Büsserschneefeld ist, so anstrengend ist es auch zu durchqueren. Als wir wieder schneefreien Boden unter uns haben, kommt der steile Abstieg durch das Geröllfeld. Zum Glück haben wir heute Morgen nicht gesehen, wie steil es ist. Fast senkrecht geht es hinunter. Der grosse Vorteil beim Abstieg, wir rutschen im Schnellzugstempo hinunter. Mal kontrolliert, mal weniger. Wahrscheinlich sind wir dreimal so schnell zurück beim Camp, wie wir für den Aufstieg gebraucht haben.
Der starke Wind zwingt uns zum Abstieg bis zum Camp 2
Wir sehen einen kleinen grünen Fleck mitten im Geröll. Das ist unser Zelt. Als wir zurückkommen, ruft Marcel: «Sei gewarnt. Wenn du deine Isomatte und deinen Schlafsack siehst, wirst du keine Freude haben.» Wie meint er das wohl? Ich schaue ins Zelt und es trifft mich der Schlag. Eine dicke Staubschicht liegt über unseren Schlafsäcken und der Zeltboden gleicht einem Sandstrand. Somit ist definitiv klar, wir werden noch ins Camp 2 absteigen. Dort ist es zwar auch windig, aber etwas angenehmer ist es dort bestimmt.
Während wir das Zelt abbauen, reisst uns der Wind dieses fast aus den Händen. Wir schaffen es nur mit Müh und Not das Zelt zusammen zu packen und laufen los. Weg vom starken Wind. Doch so schnell werden wir ihn nicht los. Als wir im Camp 2 ankommen, stellen wir das Zelt am selben Platz auf wie vorgestern. Die Steinmauer schützt uns vor dem Wind. Nicht ganz, aber zumindest gut genug, um relaxed kochen zu können.
Unser Hunger ist zwar gross, doch auf Kartoffelstock haben wir gar keine Lust. Eine Suppe mit kleinen Nudelringen drin und ein paar Cracker reichen uns. Nach der fast schlaflosen Nacht gestern, fallen wir heute irgendwann in einen komaähnlichen Zustand. Obwohl, nicht beide von uns schlafen durch. Irgendwann muss Marcel expressmässig raus, um die Zeltschnüre zu befestigen. Der Wind hat sie einmal mehr gelöst, sodass das Aussenzelt laut flattert. Schlafen in Etappen ist im Zelt nichts Aussergewöhnliches, weil es einfach immer irgendwelche Störgeräusche hat. Entweder ist es der Wind, der Zeltstoff oder unsere Isomatten, die bei jeder Bewegung knistern. Trotzdem lieben wir es mit Zelt und Rucksack in den Bergen unterwegs zu sein.
Zurück zur wunderschönen Laguna Diamante
Die Entscheidung am Camp 2 zu übernachten war goldrichtig. Die Steinmauer rund um unser Zelt hat den Wind einigermassen abgehalten. Zudem waren wir vom Gipfeltag so müde, dass wir trotz dem Geflatter des Zeltstoffs irgendwann eingeschlafen sind. Um 9 Uhr können wir uns dann aufraffen aus dem Zelt zu kriechen. Eine heisse Tasse Kaffee und unser Porridge geniessen wir draussen mit Aussicht auf den Vulkan Maipo. Herrlich.
Bis wir loslaufen ist es bereits 10 Uhr. Doch das ist vollkommen egal, denn wir haben ja Zeit. Bis zur Laguna Diamante geht es nun mehrheitlich abwärts. 14 km haben wir vor uns. Die ersten paar Kilometer geht es steil über grosse Steinbrocken, dann folgt wieder sehr loses Kies. Krass, wie der Untergrund ständig ändert. Mit jedem Schritt kommen wir näher zu Taku. Ach, wie wir uns freuen. Die Tage im kleinen Zelt haben uns einmal mehr gezeigt, wie luxuriös unser Camper doch ist. Auch wenn unser Bett nur 110 cm breit ist, können wir aufrecht sitzen und uns frei bewegen und sind dabei sehr gut gegen die Naturgewalten geschützt.
Das Wetter ist auch heute prächtig. Es hat zwar ein paar Schleierwolken, doch der blaue Himmel dominiert. Einzig der Wind ist noch stärker als die letzten Tage. Wir sind so froh, sind wir gestern auf den Gipfel. Heute hätte uns der Wind vermutlich vom Grat gefegt. Das Gute ist, beim Abstieg haben wir Rückenwind und wir werden richtiggehend vorwärts geschoben. Trotzdem ist es unglaublich anstrengend, denn mit dem Wind weht es uns ständig Sand in die Augen.
Kurz nach 13 Uhr meldet sich dann unser Hunger. Eigentlich haben wir damit gerechnet bis mittags zurück beim Camper zu sein. Doch die 14 km ziehen sich in die Länge. Deshalb legen wir noch eine kurze Pause ein und verdrücken ein paar Mandeln. Wir brauchen dringend Energie. Auch wenn ein gesunder Salat auf uns wartet, jetzt sind dringend ein paar Extra-Kalorien nötig.
Zurück bei unserem Camper an der Laguna Diamante
Die letzten zwei Kilometer wandern wir nun direkt auf die Laguna Diamante zu und geniessen immer wieder herrliche Aussichten. Natürlich werfen wir auch regelmässig einen Blick zurück zum Maipo und schütteln ab und zu den Kopf. Sind wir tatsächlich da hoch gewandert? Verrückt. Es kommt uns irgendwie unwirklich vor. Auf der letzten langen Geraden begegnen wir noch ein paar Vikunjas und dann sehen wir das Gebäude der Gendarmerie. Kurz darauf erspähen wir Taku und das Toilettenhäuschen. Wir haben es geschafft. Überglücklich steuern wir auf Taku zu, verstauen die Rücksäcke, gehen kurz aufs Klo und melden uns bei der Gendarmerie zurück.
Auf der Camp Area stehen diesmal bereits ein paar andere Fahrzeuge. Wir suchen uns einen Platz hinter dem Steinhügel, wo wir etwas windgeschützt sind. Unsere Mägen knurren, sodass wir als erstes einen grossen Salat mit Cracker verspeisen. Nach Fertignahrung endlich wieder mal frisches Gemüse. Den Nachmittag verbringen wir mit verstauen unserer Wandersachen, verarbeiten unserer Erlebnisse und auch die Körperpflege kommt nicht zu kurz.
Es ist Freitag und je später der Nachmittag, desto mehr Camper kommen zur Laguna Diamante. Inzwischen haben sich schon etliche andere Camper an der Lagune eingerichtet. Wir sind gespannt, wie es morgen aussieht. Gute Nacht.
Den Pausentag an der Laguna Diamante haben wir uns verdient
Ein neuer Tag beginnt. Direkt neben uns hat sich eine Familie mit Zelt eingerichtet. Wir haben die drei gestern Abend kurz kennen gelernt und heute kommen wir etwas länger ins Gespräch. Marcela ist Sprachlehrerin an der Universität in Mendoza. Sie lehrt Spanisch und Französisch. Maurizio, ihr Freund, fährt wie wir einen Toyota, er liebt das Fotografieren und das Outdoorleben. Wir reden über das Wandern, die Schönheit der Natur und über die gewaltigen Landschaften in Argentinien. Die Tochter Sofia gesellt sich ebenfalls zu uns. Genial ist, alle drei sprechen sehr gut Englisch, sodass wir uns endlich wieder einmal richtig gut unterhalten können. In Spanisch klappt das leider noch nicht wirklich. Mit Quatschen, Essen, Mate und Kaffee trinken vergeht die Zeit wie im Flug.
Während dem Tag füllt sich der Platz immer mehr. Es fahren stetig neue Pickups an uns vorbei, die sich eine Feuerstelle suchen und dort ihre Zelte aufstellen. Wir erfahren von unseren Camp-Nachbarn, dass die Eintritte zur Laguna Diamante dieses Wochenende ausverkauft sind. Inzwischen sind wir völlig umstellt von anderen Campern, doch irgendwie ist es ganz witzig mal mittendrin zu sein. Wir sind zu müde, um lange aufzubleiben. Zudem ist es draussen viel zu windig und zu kalt. Deshalb verkriechen wir uns relativ früh ins Bett.
Dies ist nun leider bereits die letzte Nacht an der Laguna Diamante. Morgen müssen wir den Nationalpark verlassen. Wenn wir dürften, würden wir glatt noch ein paar Tage bleiben.
Wir verabschieden uns von der Laguna Diamante
Trotz vieler Leute an der Laguna Diamante ist es nachts sehr ruhig. Die Sonne weckt uns und wir nehmen es gemütlich. Schliesslich ist es Sonntag und wir haben keinen Termin. Nach dem Frühstück packen wir langsam zusammen, verabschieden uns von Marcela, Maurizio und Sofia und fahren noch die verschiedenen Aussichtspunkte im Nationalpark ab. Zudem melden wir uns im Büro der Guardaparque zurück. Sie wissen zwar bereits, dass wir den Maipo erfolgreich bestiegen haben. Trotzdem sind sie froh um unsere persönliche Rückmeldung.
Wir fühlen uns beide etwas eigenartig und verlassen nur ungern den Park. Es ist ein emotionaler Moment, denn wir haben hier mit der Besteigung des Vulkan Maipo ein grosses Zeil erreicht und haben das erste Mal ganz allein aus eigener Kraft einen 5000er bestiegen. Was für ein grandioses Abenteuer.
Doch es ist Zeit weiterzureisen. Auf dem Weg zurück zur Ruta 40 reden wir nicht viel. Beide sind wir in Gedanken versunken. Gegen 13:30 Uhr erreichen wir den Parkeingang, wo wir uns ein drittes Mal zurückmelden. Dort sehen wir auch die Parkwächterin, die uns die Standpauke gehalten hat, wieder. Sie lacht uns zu und gratuliert uns zur erfolgreichen Besteigung des Maipo. Wir freuen uns über die Glückwünsche.
Unsere Wanderung auf den Vulkan Maipo gibt es auch als Film
Die Wanderung auf den Maipo war so genial, dass wir unsere Erlebnisse einfach filmen mussten. Wie wir uns organisiert haben, was die Herausforderungen waren und wie es bei den Camps ausgesehen hat, kannst du dir auf YouTube ansehen. Viel Spass.
Fazit zur Besteigung des Vulkan Maipo
Die Besteigung des Vulkan Maipo wird uns für immer in Erinnerung bleiben. Wir haben uns intensiv mit der Vorbereitung beschäftigt und das hat sich ausbezahlt. Eine gute Vorbereitung, die richtige Ausrüstung, die nötige Fitness und einen Plan, den man aber auch bereit ist anzupassen, hilft bei der Umsetzung von anspruchsvollen Vorhaben. Die Besteigung eines 5000ers sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Denn die Höhe gepaart mit den Einflüssen der gnadenlosen Natur kann in diesen Höhen schnell gefährlich werden. Die Besteigung des Vulkan Maipo ist technisch zwar nicht sehr anspruchsvoll, doch die steilen Geröllfelder und vor allem die Überquerung der Büsserschneefelder ist kräftezehrend. Die Belohnung für die Anstrengungen sind die wundervollen Aussichten und ein kaum zu beschreibendes Glücksgefühl beim Erreichen des Gipfels.