Als wir das erste Mal vom Arroyo Turquesa gelesen haben, wurde unser Interesse sofort geweckt. Der kleine Bach auf über 4000 m ü. M. soll ein absolutes Naturspektakel sein und seine Farbe komplett anders als was man erwarten würde. Der Bach liegt aber tief in den Anden, fernab der normalen Touristenroute und wird von internationalen Reisenden noch nicht oft besucht. Der Zugang zum Arroyo Turquesa ist abenteuerlich und benötigt viel Zeit. Ohne eigenes Transportmittel ist er nur schwer zu erreichen. Genau das sind die Orte, die wir lieben.
Entlang der Ruta Nacional 149 weiter Richtung Norden zu unserem nächsten Abenteuer
Von unserem letzten Abenteuer, der Besteigung des Cerro Punta Negra, sind wir entlang der Ruta Nacional 149 bis zu einem Schlafplatz an einem kleinen Bach gefahren. Am Abend haben sich im Osten Wolken gebildet. Diese wurden zuerst von der untergehenden Sonne golden und rot gefärbt und dann von den vielen Blitzen erhellt. Als wir morgens aus dem Heckfenster blinzeln, ist der Himmel wieder stahlblau. Keine einzige Wolke ist zu sehen. Das lieben wir an den Anden im Norden Argentiniens. Faszinierend sind auch die Farben der umliegenden Berge. Im Moment ist es windstill und die Luft klar. Das Frühstück geniessen wir direkt neben dem Bach, die Temperaturen sind noch frisch. Doch das ändert schnell, sobald die Sonne stärker wird. Als wir losfahren, klettert das Thermometer bereits auf 25 Grad.
Unser Ziel ist ein weiteres Seitental entlang der Ruta Nacional 149, wo wir zum Arroyo Turquesa wandern wollen. Ausgangspunkt für die Wanderung ist die Laguna Blanca. Die ersten 82 km fahren wir auf der teils unbefestigten, teils geteerten Nationalstrasse Richtung Barreal. Auf dem Weg kommen wir an einer Kontrollstelle vorbei, wo Marcel die Fahrzeugpapiere und den Führerausweis zeigen muss. Die Beamtin ist sehr freundlich und freut sich über den Schweizer Ausweis. Sie sagt: «Gerade vor 5 Minuten habe ich einen identischen Ausweis gesehen. Ein Schweizer ist vorhin in die entgegengesetzte Richtung gefahren.» Wohin wir denn fahren, möchte sie wissen und dann reden wir noch über dies und jenes. Sie nickt uns zu und meint: «Listo.» Alles erledigt. Wir können weiterfahren.
Abenteuerliche und steile Fahrt zur Laguna Blanca
Kurz vor dem Dorf Barreal sehen wir den Abzweiger zur Ruta Provincial 400. Wir biegen auf die unbefestigte Strasse ab, die sehr gut ausgebaut ist. Im Tal gibt es Minenaktivitäten und immer dort, wo Minen sind, erwarten einem meistens sehr gute Strassen. Die ersten 30 km folgen wir dem Rio Los Patos und mit jedem Kilometer wird die Landschaft spannender. In der Ferne sehen wir die ersten schneebedeckten Berge. Die Vorfreude auf die Wanderung steigt.
Dort, wo der Rio Los Patos mit dem Rio Blanco zusammenfliesst, biegen wir auf die Ruta Provincial 402 ab. Beim Zusammenfluss beider Flüsse ist aktuell eine Grossbaustelle. Es werden Brücken gebaut. Auf der Informationstafel sehen wir den Firmennamen Glencore. Wir passieren eine Kontrollstelle und fahren über eine provisorische Holzbrücke. Bis 13 Tonnen schwere Lastwagen können drüberfahren. Mit unseren 3.5 Tonnen kein Problem.
Auf der RP 402 geht es nun immer tiefer ins Tal hinein. Neben uns fliesst der Rio Blanco. Nach weiteren 26 km erreichen wir das Refugio El Molle. Die RP 402 geht zwar noch weiter, doch die Strasse ist nur für Minenpersonal. Für uns ist der Zutritt verboten. Wir biegen nun links ab und fahren den Berg hoch zur Laguna Blanca.
Wichtig: Wer ohne 4×4 unterwegs ist, sollte sich ab dem Refugio El Molle einen Guide mit Offroad tauglichem Fahrzeug organisieren.
Schon die ersten Meter geht es steil aufwärts und bald folgen enge Serpentinen. Bis zur Lagune sind es zwar nur 7 km, doch es sind über 1’000 Höhenmeter, die sich unser Camper Taku hocharbeiten muss. Diesmal ist es der Arroyo Laguna Blanca, der neben der Strasse durchs Tal fliesst. Dreimal müssen wir den schnellfliessenden Bach überqueren. Tief ist das Wasser nicht, doch die Auf- und Abfahrten sind steil und ausgefahren. Hier kommt kurz der Allrad in den Einsatz.
Nach der Mittagszeit haben wir den höchsten Punkt erreicht und sehen vor uns die Laguna Blanca. Wir fahren knapp einen Kilometer am breiten Flussbett entlang bis irgendwann Schluss ist. Die Strasse endet abrupt. Sie wurde weggeschwemmt. Wir sehen Fahrspuren, die ins Flussbett führen, doch Reni hat Respekt vor dem Weiterfahren. Ihr ist alles andere als wohl. Weiter müssen wir heute auch nicht, sodass Marcel geschickt das Fahrzeug dreht. Wir fahren etwas zurück und suchen uns einen Stellplatz für die Nacht.
Nur wenige hundert Meter oberhalb der Laguna Blanca finden wir einen Platz, wo wir Taku in den Wind stellen und bleiben.
Wanderung zum Arroyo Turquesa, dem türkisfarbenen Bach
Wandern ist heute angesagt. Unser Ziel ist der Arroyo Turquesa, ein türkisfarbener Fluss auf rund 4000 m ü. M. Wir befinden uns bei der Laguna Blanca auf rund 3100 m. Das heisst ein Aufstieg von 900 Höhenmetern steht uns bevor. Wir könnten bis zum Refugio Laguna Blanca fahren. Doch Reni ist kritisch wegen der weggeschwemmten Strasse und der Fahrt durch das Flussbett. So kommen zu den knapp 9 km pro Weg zusätzlich noch 3 km dazu, die wir von unserem Schlafplatz bis zum Refugio zurücklegen müssen. Da wir gerne wandern, nehmen wir das in Kauf.
Um 10 Uhr schultern wir unsere Rucksäcke und wandern los. Noch ist die Lagune im Schatten, trotzdem ist die Stimmung sehr schön. Die ersten 3 km folgen wir dem breiten Flussbett, wo der Arroyo Laguna Blanca und der Arroyo de La Cuesta zusammenfliessen. Doch es gibt nicht einen Bach, der irgendwo in einen zusammenfliesst, sondern das Wasser sucht sich in zig kleinen Bächen durch das breite Kiesbett einen Weg hinunter zur Laguna Blanca. Einen Kilometer folgen wir der unbefestigten Strasse bis zu der Stelle, wo die Strasse weggeschwemmt wurde. Dort steigen wir ins Flussbett, wo wir versuchen trockenen Fusses weiterzukommen. Es gelingt uns fast, doch ein bisschen Wasser kriegen unsere Füsse ab. Egal, denn wir haben die Trailrunning Schuhe an, die superschnell trocknen.
Bald erreichen wir das Refugio Laguna Blanca, wo es ein Baño Publico gibt. Die Toilette funktioniert sogar mit einer richtigen Spülung. Wir schauen nach dem Wanderweg, der offensichtlicher nicht sein könnte. Schon von weitem sehen wir aufgetürmte Steine und einen Fussweg. Von nun an geht es kontinuierlich aufwärts. Und das für die nächsten drei Stunden. In regelmässigen Abständen ist der Wanderweg mit Steinmännchen markiert. Verlaufen kann man sich nicht.
Das Basislager Guanaquito wird für die Besteigung des Cerro Mercedario genutzt
Nach einer guten Stunde erreichen wir das Basislager Guanaquito auf 3600 Metern. Das Basislager wird unter anderem für Gipfelbesteigungen auf den Cerro Mercedario auf 6770 m ü. M. benutzt. Kurz bevor wir das Lager erreichen, startet eine 11-köpfige Gruppe auf eine Wanderung. Wir sehen sie von weitem. Jetzt, wo wir den Berg mit dem imposanten Gletscher sehen, würde uns der Aufstieg schon auch reizen. Zumindest mal erfahren, wie weit wir kommen würden. Doch wir begnügen uns erst mal mit der Wanderung zum türkisfarbenen Bach. Wir sind ja auch nur für eine Tageswanderung ausgerüstet.
Nachdem wir das Camp beim Basislager Guanaquito passiert haben, geht es am Hang stetig aufwärts. Linkerhand fliesst der Arroyo Laguna Blanca ins Tal. Das Wasser ist Milchkaffeebraun und schlängelt sich durch das Tal. Irgendwann holen wir die Wandergruppe ein und überholen sie.
Je höher wir kommen, desto spektakulärer wird die Aussicht. Vor uns sehen wir den Cerro Mercedario, dessen Gletscher strahlend weiss glänzt. Sehr imposant, vor allem weil der Berg mit jedem Meter, den wir näherkommen, grösser erscheint. Inzwischen ist es 12 Uhr und wir sind auf 3900 m. Wir kommen dem Ziel näher. In der Ferne sehen wir nun zum ersten Mal den Arroyo Turquesa. Unglaublich, bereits von der Distanz sehen wir die hellblaue Farbe. Wir erhöhen das Tempo und stehen bald vor einem Bach mit krass blauem Wasser. Echt jetzt? Ist das der Arroyo Turquesa, der türkisene Bach? Wir trauen unseren Augen kaum. Diese Farbe ist nicht von dieser Welt, oder? Sprachlos stehen wir da und fragen uns, wie so etwas unglaublich Schönes entstehen kann. Die Natur ist immer wieder gut für Überraschungen.
Unsere Mittagspause geniessen wir am Arroyo Turquesa
Mit Sicht auf den Bach geniessen wir unseren Mittagssnack und lassen uns richtig viel Zeit. So einen traumhaft schönen Ort müssen wir ganz lange geniessen. Obwohl wir schon mehrere Male in der Gegend waren, haben wir noch nie etwas von diesem Naturwunder gehört. Wir finden, das ist ein absoluter Geheimtipp.
Nach der Mittagspause folgen wir dem Arroyo Turquesa bis zur Ursprungsstelle. Da, wo das Wasser einfach aus dem Berg fliesst. Völlig fasziniert stehen wir da und staunen. Mit 100 Fotos mehr auf unserem Smartphone und unzähligen weiteren Fotos auf der Spiegelreflex Kamera machen wir uns langsam auf den Rückweg. Inzwischen ist bereits 14:15 Uhr. Diesmal sehen wir die Landschaft aus einem ganz anderen Blickwinkel. Besonders schön ist auf dem Rückweg der mehrfarbige Hang auf der gegenüberliegenden Bachseite. Und auch die Stelle, wo die beiden Bäche Turquesa und Laguna Blanca zusammenfliessen, finden wir faszinierend. Türkis mischt sich mit Milchkaffeebraun.
Auf dem Weg zurück ins Tal sind wir doppelt so schnell und kurz vor 16:30 Uhr erreichen wir das Refugio Laguna Blanca. Die Temperaturen sind hier unten auch wieder um einiges höher, obwohl wir noch immer auf über 3000 Metern sind. Geschafft, aber überglücklich, kommen wir bei Taku an. Alles ist in bester Ordnung. Wir packen sofort unsere Campingstühle aus, gönnen uns ein grosses Glas kaltes Wasser und knabbern eine halbe Packung Pommes Chips. Das Abendessen schmeckt gleich doppelt gut, weil wir vom Wandern doch sehr hungrig sind. Müde und zufrieden fallen wir ins Bett und schlafen wie Babys.
Details zur Wanderung vom Refugio Laguna Blanca bis zum Arroyo Turquesa:
- Start Refugio Laguna Blanca: 3150 m
- Ziel Arroyo Turquesa: 4021 m
- Höhenmeter: 851 m
- Distanz hin und zurück: 17.2 km
- Wanderzeit total: 4:30 Stunden
Die Laguna Blanca auf 3100 m ü. M. ist wirklich sehenswert
Der Wind hat nachts leider nicht nachgelassen. Doch immerhin können wir draussen frühstücken. Marcel platziert unsere Campingstühle so, dass ich hinter dem Rad recht gut geschützt bin. Er selbst hat nur wenig Windschutz und es bläst ihm ein kühler Wind an den Rücken. Mit Faserpelz und Winterjacke sitzen wir da und schlürfen den heissen Kaffee. Der wärmt uns auf. Zudem scheint uns die Sonne ins Gesicht, die uns mit zusätzlicher Wärme versorgt.
Immer wieder stossen uns starke Windböen von hinten. Mit dem Wind kriegen wir jedes Mal eine Portion Sand ab. Es ist anstrengend und lange halten wir es nicht aus. Wir wollen die Laguna Blanca im morgendlichen Licht anschauen und spazieren gemeinsam über die Hügel hinunter zur Lagune. Von oben erhalten wir nochmals traumhafte Aussichten auf den Cerro Mercedario in weiter Ferne. Was sind wir froh, sind wir gestern zum Arroyo Turquesa gewandert. Heute wäre es mit dem starken Wind einiges anstrengender gewesen.
Gemütlich spazieren wir zum Strand der Laguna Blanca, folgen den Spuren im butterweichen Sand und je weiter wir kommen, desto türkisfarbener wird das Wasser. Wir gehen bis zum Abfluss der Lagune und steigen dann über die Hügel wieder hinauf. Nach einer halben Stunden sind wir zurück bei Taku.
Der Platz an der Laguna Blanca ist uns zu windig und wir fahren zurück ins Tal
Der Wind ist uns zu anstrengend, sodass wir unsere Sachen packen und weiterfahren. Bis zum Refugio El Molle geht es in Serpentinen steil abwärts. Und wie auf der Hinfahrt überqueren wir den Arroyo Laguna Blanca dreimal. Marcel schaltet den 4×4 zu, um kontrolliert über die steilen Auf- und Abfahrten zu kommen. Klappt alles prima und bald sind wir zurück bei der Ruta Provincial 402.
Nun fühlt sich die unbefestigte Strasse wie eine Autobahn an. Mit knapp 70 km/h fahren wir zurück und halten Ausschau nach einem freien Stellplatz. Weit kommen wir nicht, denn wir entdecken bereits nach 10 km einen super Platz zum Stehen. Der Wind bläst auch im Tal wie verrückt. Wir überstehen die Mittagspause gerade so und verkriechen uns dann für den Rest des Nachmittags im Camper. Leider wird es immer heisser drinnen, doch draussen ist es auch nicht wirklich spassig. Immerhin können wir uns mit den Campingstühlen hinter einem riesigen Felsen etwas in den Windschatten stellen. Wir schaffen es irgendwann auch während ein paar windfreien Sekunden zu duschen. Doch nur wenige Minuten später werden wir bereits wieder sandgestrahlt. Tja, das harte Leben beim Campen.
Irgendwie überstehen wir die Stunden bis zum Abendessen. Marcel schafft es unter schwersten Bedingungen zu kochen. Dabei kriegt er in regelmässigen Abständen eine Portion Sand in die Augen geschleudert. Bei diesen starken, unkontrollierten Windböen denken wir keine Sekunde ans draussen Essen. Wir richten uns drinnen ein und sind froh, dass wir in unserem Camper diese Option haben. Genüsslich verspeisen wir ein paniertes Poulet Schnitzel und sind gespannt, wie wir die Nacht überstehen.
Ohropax sei Dank haben wir besser als erwartet geschlafen. Da uns ein weiterer Tag mit sehr starkem Wind bevorsteht, entscheiden wir einen Arbeitstag einzulegen. Es gibt einiges, dass wir am PC erledigen wollen. Wir sind produktiv und kommen gut voran. Abends sind wir jedoch nudelfertig. Der Wind ist anstrengend. Einerseits, weil ständig irgendetwas flattert. Andererseits, weil wir nichts liegenlassen können, ohne dass es weggeblasen wird. Mehrmals müssen wir unseren Schuhen nachrennen und auch die Campingstühle fliegen mehr als einmal durch die Gegend. Wir sind froh, als wir abends die Türen schliessen und schlafen gehen können. Bis morgen sollte der Wind nachlassen. Hoffen wir, dass die Wetterprognose stimmt.
Fazit zur Wanderung zum Arroyo Turquesa, dem türkisfarbenen Bach
Für einmal ist es nicht ein Berggipfel, der uns auf 4000 m gelockt hat, sondern ein Bach. Doch der Arroyo Turquesa ist nicht irgendein Bach. Die hellblaue Farbe des Bachs ist schon sehr speziell und einzigartig. Wunderschön ist auch, die bunte Landschaft, in der dieser Bach eingebettet ist. Die Gelb-, Rot-, Beige- und Brauntöne stehen in krassem Kontrast zu der intensiven hellblauen Farbe des Arroyo Turquesa. Auch die Aussicht auf den mit Gletschern bedeckten Cerro Mercedario ist grossartig. Die Laguna Blanca bietet ein richtiges Postkartenmotiv mit dem Cerro Mercedario im Hintergrund und lädt zu einem Spaziergang ein.
Die Wanderung zum Arroyo Turquesa ist technisch nicht anspruchsvoll und auch nie sehr steil. Der Untergrund ist aber an manchen Stellen lose und gute Schuhe sind zu empfehlen. Wie bei allen Wanderungen in den Anden sollte man auf Wetteränderungen vorbereitet sein und vor allem der starke Wind sollte bei der Wahl der Kleidung berücksichtigt werden.
Nach der Wanderung zum Arroyo Turquesa geht unser Roadtrip weiter Richtung Norden. Unser nächstes Ziel ist die Puna Region in den Anden von Argentinien, wo wir die wunderschöne Lagunenlandschaft beim Balcon de Pissis erkunden wollen. Mehr dazu gibt es im nächsten Beitrag.